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Kindstötung

Neugeborenentötungen hat es immer schon gegeben!

In allen Kulturen, in allen Schichten gab und gibt es Frauen, die unmittelbar nach der Geburt ihr Kind töteten. Oft ging eine Verleugnung der Schwangerschaft voran, die Geburt erfolgte unerwartet, wurde fehlintepretiert als Darmkolik, das Neugeborene “beseitigt”. Vermeintlich lösten sie so ein Angstbesetztes Problem. Die betroffenen Frauen sind meist jung, sozial unerfahren, die Schwangerschaft und die Vorstellung eines Kindes löst bei ihnen Panik aus.

Im antiken Griechenland und im Römischen Reich waren Neugeborenentötungen bis 315 nach Christus ein erlaubtes Instrument der Geburtenkontrolle. In manchen Ländern wurde die Tötung des weiblichen Neugeborenen lange Zeit hindurch kaum geahndet.

Das änderte sich erst in den letzten Jahren: In Indien ist es beispielsweise seit zwei Jahren unter Strafe gestellt, den werdenden Eltern das Geschlecht des Kindes zu verraten.
In vielen Ländern – unter ihnen Österreich, Finnland, Griechenland, Italien, Korea, Neuseeland, Australien oder Kanada – wird die Tötung eines Kindes in der Gesetzgebung gesondert behandelt und milder bestraft als die Tötung eines Erwachsenen. Nur in Luxemburg wird man härter bestraft. In Deutschland war die Kindstötung bis zum Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes am 1. April 1998 als besonderes Tötungsdelikt gemäß §217 StGB berücksichtigt
Im österreichischen Strafgesetzbuch heißt der Gesetzesparagraph, der die Tötung unter der Geburt regelt, „Gretchenparagraph“. Er nimmt Bezug zur Figur des Gretchen aus Goethes Faust, die ihren unehelich geborenen Sohn tötete. Das wiederum beruht auf der wahren Geschichte der Kindsmörderin Susanna Margareta Brandt, die für ihre Tat, wie viele andere Frauen, doppelt bestraft wurde. Von ihrem Gewissen und von der Gesellschaft. 1772 hat man sie in Frankfurt öffentlich hingerichtet. Etliche Intellektuelle erachteten das Urteil damals als ungerecht. Auch Immanuel Kant plädierte 1797 in der »Metaphysik der Sitten« dafür, dass unverheiratete Kindsmörderinnen nicht bestraft werden sollten. Daraus entstand der sogenannte Gretchenparagraph, der Frauen in Österreich, die unter der Geburt töten, mildernde Umstände zubilligt. Allerdings nur dann, wenn es sich um ein nichteheliches Kind handelte, das die Mutter unmittelbar nach der Geburt getötet hatte.
Unbestritten ist, dass Mütter die töten in allen Kulturen zu allen Zeiten vorkommen. Experten haben unterschiedliche Systematisierungen vorgeschlagen, um das Phänomen zu erfassen. Der Amerikaner Phillip J. Resnick definierte Neonatizid als die Tötung eines Kindes innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt. Infantizid ist die Tötung eines Kindes im Alter von einem Tag bis zu einem Jahr. Und Filizid nannte er es, wenn es älter war. 1969 untersuchte er 131 gerichtliche Fälle, in denen Mütter ihren Nachwuchs getötet hatten. Er befragte sie und erstellte fünf Kategorien, die zeigen, was die Motivation hinter einer Kindstötung sein kann.
1. Altruistischer Filizid: Ist die Tötung in Kombination mit Suizid des Täters. Oder um das Kind vor realem oder imaginärem Leiden zu bewahren Die Motivation steckte hinter 56 Prozent der Fälle.
2. Akut psychotischer Filizid. So bezeichnete Resnick die Tötung unter dem Einfluss von psychotischen Symptomen, Epilepsie oder auch im Delirium. Das betraf 24 Prozent der Delikte.
3. Das Kind wird getötet, weil es nicht gewollt ist. Auf elf Prozent der ermordeten Kinder traf das zu.
4. Unbeabsichtigter Filizid: Davon spricht man, wenn ein Kind an den Folgen einer körperlichen Misshandlung stirbt. So geschehen in sieben Prozent der Fälle.
5. Rache am Ehepartner: Das Kind wird umgebracht, um dem Partner Leid zuzufügen. Auch das kommt vor. Allerdings betraf das nur zwei Prozent der Kindstötungen.
Eine andere Einteilung (d´Orban) unterschied 6 Typen von Müttern, die in absteigender Häufigkeit, töteten: Schlagende Mütter, geisteskranke Mütter, Mütter unter der Geburt, rächende Mütter, Mütter die ungewollte Kinder töten und Barmherzigkeitstötungen. Die psychiatrischen Diagnosen der Täterinnen waren: Persönlichkeitsstörungen (43%), Depressionen (21%), Psychosen (16%), und Persönlichkeiten mit subnormalen oder keinen psychiatrischen Auffälligkeiten (20%). Altersmäßig die jüngsten Mütter waren die schlagenden und die Mütter, die unter der Geburt töteten. Die ältesten die Barmherzigkeitstäterinnen.
Die amerikanische Rechtsprofessorin Michele Oberman orientierte sich in ihrem preisgekrönten Buch: „When Mothers Kill“ (2008), an der Motivation der Handlungsweisen und unterschied zwischen den Tötungen unter der Geburt, den Vernachlässigungen des Kindes mit Todesfolgen, den Missbrauchsbezogenen Kindstötungen sowie den Beihilfen bzw. (vom Partner) erzwungenen und den beabsichtigten Tötungshandlungen.
So kann man global sagen, Mütter toten zur Beseitigung eines ungewollten Kindes, aus Mitleid, aus geisteskranker Motivation. Oder in dem sie Aggressionen, die eigentlich andere Ursprünge haben (z.B. Trennungen, Arbeitsplatz- Prestigeverlust), auf das Kind verschieben.